Bis vor 30, 40 Jahren war der arktische Ozean ein eisiger Ozean: Im Winter grossteils bedeckt mit dickem Eis, das auch der 24-Stunden-Sonne im Sommer Paroli bot. In alten Berichten von arktischen Entdeckungsfahrten, die ich gerade lese, ist von Eisdicken die Rede, die mehrere Meter übersteigen. Man konnte damals fast von einem arktischen Eiskontinent sprechen, statt von einem arktischen Ozean.
Heute überlebt viel Eis den Sommer nicht. Dadurch wird die Fläche immer kleiner, die in der wärmeren Jahreszeit eisbedeckt ist – und das Eis wird immer dünner: Unter dem Strich ist die Eisausdehnung heute 40 Prozent kleiner als noch vor 30 Jahren.
Für die Bewohner des arktischen Ozeans haben diese Veränderungen enorme Auswirkungen: viel weniger Eis – und das über eine immer längere Periode im Jahr, weil der Frühling früher beginnt und der Sommer später endet. Das bedeutet mehr Licht, wärmeres Wasser, neue Einwanderer vom Süden. Die arktischen Arten finden sich plötzlich in einem ganz anderen Lebensraum wieder.
Im Lichte des normalen Lebensrhythmus auf der Erde gehen diese Veränderungen rasant vor sich. Die Forscher kommen nicht nach bei deren Dokumentation. Expeditionen in der Arktis sind noch immer aufwendig, schwierig und teuer – besonders im polaren Winter. Darum sind viele Ecken der Arktis nur schlecht erforscht, weiss man von vielen Tier- und Mikroorganismen-Arten nicht genau, wo sie vorkommen und wo nicht. Gerade bei den Mikroorganismen sind sogar noch viele Arten unbekannt. Sie bilden aber das Fundament der Nahrungspyramide. Kurz: Es kann sein, dass sich im Ökosystem der Arktis bereits sehr viel verändert hat – aber vieles davon nie bemerkt wird, weil man gar nicht weiss, wie es einmal war.